„Das Leben ist kein Spaziergang!“ Würdest du mit dieser Aussage mitgehen? Einen Spaziergang, bei dem wir ganz bedächtig durch einen Wald oder am Meer die Natur genießen … Atem holen … Zeit haben … Kraft schöpfen, machen wir ja normalerweise nicht alle Tage. Wir kommen meistens nur an den Wochenenden, an Frei-Tagen oder nach Feierabend dazu. Es ist eher gang und gäbe, dass wir am Rennen sind. Denn wir müssen die Wohnung, den Garten oder die Firma am Laufen halten. Wir gehen darin auf, uns für die Kinder, für die Eltern, für Freunde, für den Verein oder die Kirchgemeinde einzusetzen… In dieser postmodernen Zeit wollen viele von uns mit der Mode, mit der neusten Technik, mit den Leistungen und Erfolgen anderer Menschen Schritt halten. Und – natürlich möchten etliche unter uns in den Social Media ständig auf dem Laufenden sein.
Das Leben ist kein Spaziergang – ganz wahrhaftig nicht! Aber unser Leben ist eine Reise. Von unserem ersten Schritt bis zu unserem letzten Gang sind wir auf dem Weg. Wir durchwandern den Kindergarten, die Schule, eine Ausbildung; wir ziehen aus, um den Partner und Freunde für das Leben zu finden. Manch einer unter uns steigt die Karriereleiter herauf. Er macht dabei auch riesige Fortschritte, aber oft genug verliert er sich irgendwann selbst.
Auf der Reise durch unser Leben durchlaufen wir Phasen, die uns ohne besondere Vorkommnisse voranbringen. Wir begegnen – auf Schritt und Tritt – nur lieben Menschen, die unsere Wege ebnen. Alles läuft wie am Schnürchen. Der Mut ist unser Wegbegleiter; die Zuversicht geht uns voran; uns folgt das Glück auf dem Fuße. Keine Kurve bremst uns aus; es geht schnurstracks geradeaus. Aber dann gibt es auch Zeiten, die uns noch lange nachgehen. Wir lernen Durststrecken kennen; nur selten finden wir etwas zu trinken. Wir verirren uns in Sackgassen und müssen umkehren. Wenn uns Steine auf den Weg gelegt werden, gelingt es uns nicht, aus ihnen etwas Prächtiges zu bauen. Wir stolpern; wir stürzen und schürfen uns dabei die Knie auf. Uns fehlt fast die Motivation, wieder aufzustehen und die Zielgerade in den Blick zu nehmen. Doch nach einer Erholungspause gehen wir – meistens – gescheiter weiter…
~ ~ ~
„Das Leben ist kein Spaziergang!“ Für mich persönlich ist es auch höchstens nur eine Spazierfahrt. Denn seit über 35 Jahren sitze ich im Rollstuhl. „Rolle vorwärts!“, lautet also schon eine ganze Weile mein Motto, obwohl Stufen, Treppen, Kopfsteinpflaster oder Bordsteinkanten Hindernisse für mich darstellen und obwohl ich viele Einschränkungen in meinem Rucksack mit mir trage. Eine lange Meile litt ich unter dem, was mir wiederkehrend widerfährt. Aber Schritt für Schritt habe ich erfahren, dass ich genau so aktiv sein kann wie jeder Mensch, der den Lebensweg auf seinen zwei Beinen beschreitet. Denn wirkliche Beweglichkeit beginnt im Kopf! Wenn ich nicht die Freiheit habe, meine Umstände zu ändern, bleibt mir doch die Freiheit, meine Einstellung zu den Umständen zu ändern. Und so bin ich gern auf meinen vier Rädern unterwegs… Manchmal lande ich natürlich auch auf dem Holzweg, auf dem ich „den Brettern“ jedoch eine neue Bedeutung für meine Welt geben kann… Mein Leben ist ohne Zweifel eine Berg- und Talfahrt, auf der ich mich befinde. Aber – es ist auch der Heimweg, der mich ans Ziel führt. Dort kann ich mich einst von Schlaglöchern, „schiefen Ebenen“ oder „abgefahrenen Situationen oder Begegnungen“ auf ewig verabschieden – und das bewegt mich heute schon so sehr, dass ich in Bewegung bleiben möchte…