Ein Königssohn hatte einen Vogel. Und – genauer gesagt: Ein Königssohn hatte sogar zwei Vögel. Ein kleiner Papagei saß auf seiner rechten Schulter. Dieser war ihm wohlgesonnen. Er machte ihm ständig Mut, indem er ihm ins Ohr flüsterte: „Das schaffst du schon. Du bist der Sohn des großen Königs!“
Der andere kleine Papagei hatte es sich auf der linken Schulter des Königssohns gemütlich gemacht. Jener entmutigte ihn immer wieder, weil er ihm ganz leise zu verstehen gab: „Das kriegst du nie hin. Du bist ja nicht der König!“
Egal, wo sich der heranwachsende Königssohn aufhielt: Die beiden Vögel wichen nicht von seiner Seite. In der Privatschule, wo er im Unterricht so manche königliche Herausforderung zu bestehen hatte, hörte er auf der einen Seite: „Das schaffst du schon. Du bist der Sohn des großen Königs!“ Und auf der anderen Seite vernahm er: „Das kriegst du nie hin. Du bist ja nicht der König!“
Als der Prinz das Reiten lernte, saß er fest im Sattel, wenn er sich die Sätze des „Mutmach-Tieres“ zu Herzen nahm. Er vergaloppierte sich allerdings, wenn ihm die Äußerungen des „Wutmach-Tieres“ an die Nieren gingen.
Dem Prinzen brachten die Minister natürlich auch bei, wie er in künftiger Zeit das Zepter zu schwingen hatte. Dabei wurde er jedesmal auf den Thron erhoben, wenn der rechte Papagei ausrief: „Das schaffst du schon. Du bist der Sohn des großen Königs!“ Doch ihm fiel immer wieder ein Zacken aus der Krone, wenn der linke Papagei behauptete: „Das kriegst du nie hin. Du bist ja nicht der König!“
Was sollte der junge Prinz nun tun? In dem ganzen Hin und Her suchte er bei seinem Vater Rat, der schon etliche Jahre in Amt und Würden stand. Nachdem er ihm anvertraut hatte, wie sehr ihn die Tiere verwirrten und durcheinanderbrachten, sprach der große König: „Ich verrate dir jetzt etwas, mein lieber Sohn… Im Laufe deines Lebens wirst du auf viele ‚komische Vögel‘ treffen. Der eine wird dich herunterziehen, aufziehen; der andere brennt für dich und feuert dich an. Versuche es erst gar nicht, es allen recht machen zu wollen. Das kannst du nämlich nicht! Es ist wichtig, dass du weißt: ‚Du bist gekrönt! Du kannst einiges, aber nicht alles!’ Und – was du mit deinen Papageien machen sollst …? Jedes Königskind trägt sie mit sich herum. Wenn du auf die Stimme deines Herzens hörst – wirst du die richtige Entscheidung treffen!“
Lange dachte der Prinz über die Worte seines Vaters nach. Und irgendwann war es schließlich soweit: Er tat, was er schon längst hätte machen sollen … Er entzog dem linken Vogel seine Aufmerksamkeit. Ganz bewusst wollte er nun nicht mehr auf seine Worte achten. Stattdessen schenkte er dem rechten Papagei mehr Aufmerksamkeit, indem er ihn sogar fortan streichelte, mit ihm sprach und sich von seiner Einschätzung bestärken ließ. Er hatte einfach das Gefühl, dass er von ihm geschätzt wurde. Und — dadurch wurde er schließlich irgendwann ein selbstbewusster, großer König, der es schaffte, sein kleines Reich würdevoll zu regieren!