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Mit der Sprache gut umgehen

Heute verrate ich dir eine der peinlichsten Situationen aus meinem Leben. (Wir sind ja so ganz unter uns!) Aber dazu muss ich weit ausholen, denn das Ereignis liegt jetzt schon fast 30 Jahre zurück. Damals ist der Himmel gerade in mein Herz gekommen. Und obwohl ich mir einbilde, dass ich mit der Sprache gut umgehen kann, habe ich manche Worte und Beschreibungen in meiner Gemeinde überhaupt nicht verstanden. 

Also: Meine Freunde nahmen mich in die Gottesdienste immer mit. Doch — schon die alten Kirchenlieder, die oft eine salbungsvolle Ausdrucksweise besaßen, waren für mich sehr befremdlich. Und während wir beim Beten alle den Kopf senkten und auch die Augen schlossen, hörte ich den Pastor manchmal sagen: „Jesus geht jetzt durch unsere Reihen und legt Einzelnen von euch die Hände auf …“

Ich gebe es zu: Damals öffnete ich stets die Augen; ich hob den Kopf und schaute mich um. Denn ich wollte Jesus unbedingt sehen; ich wollte erleben, dass er auch bei mir vorbeikommen und so manches Wunder in meinem Leben vollbringen würde … so ganz augenscheinlich. Aber irgendwie passierte nichts. Weder Gottes Sohn entdeckte ich leibhaftig in der Kirche noch spürte ich seine sanfte Berührung. 

Schnell begriff ich, dass viele Formulierungen auf bestimmte Bibelübersetzungen zurückzuführen waren und von den Gemeindemitgliedern übernommen wurden. „Zur Stunde kommen“ bedeutete zum Beispiel, in den Gottesdienst zu gehen. „Zum Tisch des Herrn eingeladen zu sein“, hieß, dass wir das Abendmal miteinander feierten. Oder wenn „das Wort ausgelegt wurde“, hörten wir die Predigt. Mit der Zeit wurde mir also das Frommdeutsche vertraut, und ich konnte mit der Sprache gut umgehen.

Doch — dann traf ich im November 1992 die Entscheidung, mich taufen zu lassen. Alles wurde daraufhin vorbereitet. Der Pastor führte mit mir einen Tag zuvor noch ein Taufgespräch durch, in dem er mir erklärte, dass ich während des großen Festes „Zeugnis ablegen“ sollte … Es kam mir zwar ein bisschen merkwürdig vor, dass ich als Gläubige, die bedingungslos von Gott geliebt wurde, von Menschen auf meine Leistungen geprüft werden sollte. Aber ich beugte mich — zumal ich in der Schule auch nicht ganz so schlecht war. Und so nahm ich an meinem Tauftag alle meine Zeugnisse in die Kirche mit und legte sie einem Verantwortlichen des Gemeindevorstandes vor, der mich allerdings schief anguckte. Schließlich sollte ich nicht die Zeugnisse, sondern das Zeugnis ablegen, was meinte, dass ich vor der ganzen Gemeinde erzählen sollte, wie der Himmel in mein Herz kam …

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Ja, ich kann bis heute bezeugen, dass Gott mich anspricht. Und gerade  deshalb möchte ich mit der Sprache gut umgehen. Denn mir ist es wichtig, dass mich die Menschen verstehen, mit denen Gott mich in Berührung bringt. Sie sollen „im heutigen Deutsch“ Zugang zu Gottes Wort bekommen dürfen und sich nicht ausgegrenzt fühlen müssen. Martin Luther ist darin für mich ein großes Vorbild. Als genialer und wortgewaltiger Bibelübersetzer formulierte er einmal: „Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt fragen, und den selbigen auf das Maul sehen, wie sie reden…“ Auch diesbezüglich möchte ich also genau hinhören, schauen und sowohl eine „Redeweise“ als auch eine „Schreibweise“ werden! 

Jana Schumacher

Mein Name ist Jana Schumacher. Als Autorin wohne ich in Rostock und lasse mich hier oft vom Meer inspirieren - und vom Mehr, das "das Leben" mir schenkt! Ich schreibe für mein Leben gern. Geschichten, Andachten, Gebete, Rätsel und Bücher habe ich im Angebot. Doch am liebsten verfasse ich Gedichte!